Rückblick 2009 – Auf der Suche nach dem gemäßigten Islam

Ein Essay von Prof. Paolo Mantellini

Das verheerende Erdbeben in den italienischen Abbruzzen vor einigen Wochen, hat neben erheblichen moralischen, materiellen und sozialen Begleitschäden eine politreligiöse Debatte über die durch die italienischen Behörden an den Tag gelegte Unterwürfigkeit, Nachgiebigkeit und Zuvorkommenheit gegenüber der Anmaßung der UCOII (Dachverband der islamischen Vereine und Organisationen in Italien, gilt als von der Muslimbruderschaft dominiert) in Gang gesetzt, die zu den religiösen Gedenkfeierlichkeiten für die Opfer des Erdbebens als islamischen Geistlichen nicht nur ausgerechnet ihren Präsidenten Nour Dachan, einen vor Jahren aus Syrien geflohenen Arzt, entsandte, sondern man hat ihm dann auch gleich noch gestattet, unmittelbar im Anschluss an Kardinal-Staatssekretär Bertones Trauergottesdienst als Vertreter aller Moslems eine islamische Predigt zu halten.

Die Presse berichtete darüber in mehreren kritischen Kommentaren, darunter in Beiträgen von Andrea Morigi am 11. April im „Libero“ (S.11) sowie von Magdi Allam am folgenden Tag ebenfalls im „Libero“. Beide, wenn auch auf unterschiedliche Weise, deuten diesen Vorfall als organisierten Kniefall vor dem fundamentalistischen Islam und gleichzeitig als Affront gegenüber den „moderaten“ Muslimen, die sich dadurch ausgegrenzt und diskriminiert fühlen müssten. Beide Autoren (die Einzelheiten entnehme man den Orginalartikeln) kommen zu Ergebnis, es sei ein großer Fehler gewesen, nicht stattdessen die „gemäßigten“ Vertretern des Islams zu bevorzugen und zu Wort kommen zu lassen, weil so nun dem fundamentalistischen Islam Platz gemacht würde, der sehr gefährlich sei, weil er ausschließlich auf Missionierung aus sei, das hieße auf die umfassende Verbreitung seiner Ideologie, die letztlich einen Hegemonialanspruch an unsere Gesellschaft stelle und diesen mit allen Mitteln durchzusetzen versuche, notfalls auch mit Gewalt.

In der Tageszeitung „Il Giornale“ vom 23. April 2009 sind zahlreiche alarmierende Artikel erschienen, die vor den Gefahren des radikalen Islam in Italien warnen und auf die Notwendigkeit einer Unterstützung für den „gemäßigten“ Islam hinweisen. Darunter war auch ein Interview von Maria Giovanna Maglie mit dem „moderaten“ Imam Abdellah Mechnoune und ein Artikel, mit reichlich Fotos ausgeschmückt, über den öffentlichen Händedruck zwischen dem „moderaten“ Moslem Prof. Mohammed Lamsuni, seines Zeichens Vertreter der Turiner marokkanischen Gemeinde und keinem Geringeren als dem Europa-Abgeordneten der Lega Nord, Mario Borghezio, der in der Vergangenheit vor allem durch die Kontroversen um seine politisch-unkorrekten Aussagen im Mittelpunkt stand.

In diesem Zusammenhang möchte ich Recep Tayyip Erdoğan, den Premierminister der „gemäßigten“ Türkei, die viele ja in die EU regelrecht herbeisehnen, zitieren. Bei zahlreichen Gelegenheiten, so unter anderem auch bei seinem letzten Staatsbesuch in Deutschland, hat Erdogan, sicherlich von vielen als ein „gemäßigter Moslem“ angesehen, öffentlich erklärt, dass „Islamophobie“ ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und der Begriff „gemäßigter Islam“ eine „Beleidigung“ sei, da „es keinen gemäßigten Islam gebe, der sich von einem fundamentalistischen Islam unterscheide“, sondern „es nur einen einzigen Islam gäbe“ und dass die Bestrebungen zur Assimilation der Moslems in die westliche Gesellschaft ebenfalls ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ seien. Diese Zitate zeigen, dass auch ein „gemäßigter“ Moslem manchmal völlig un-“gemäßigtes“ von sich gibt und unterstreicht die Bedeutung einer zentralen Frage, die zuerst geklärt sein muss, bevor man seine Meinung zum Islam oder zu verschiedenen Formen des Islam vorschnell rausposaunt. Die Frage wäre die folgende:

Gibt es überhaupt einen gemäßigten Islam? Und: Falls ja, was ist dann der Unterschied zwischen dem gemäßigten Islam und dem radikalen Islam?

So einfach es ist, vom gemäßigten Islam zu sprechen, so schwer ist es, ihn zu definieren. Für das Problem gibt es keine einfache Lösung und es gibt darüber weder unter Moslems noch unter Nicht- Moslems einen Konsens, unabhängig davon, ob sie dem Islam wohlwollend oder ablehnend gegenüberstehen. Viele Fürsprecher eines „gemäßigten Islams“ sind Moslems, aber man beachte, es sind fast immer Moslems, die entweder in westlichen Ländern leben oder solche die, wo immer sie auch leben mögen, dies nur gegenüber westlichen Gesprächspartnern so sagen. In den islamischen Ländern sind „Gemäßigte“ praktisch unbekannt und die wenigen die es dort durchaus gibt, könnten sich auch nicht öffentlich äußern ohne Verfolgung zu riskieren oder in ein westliches Land fliehen zu müssen.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was „gemäßigter“ Islam in islamischen Ländern bedeutet, reicht es schon aus, auf die oben zitierten Erklärungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan oder auf die Position der OIC (Organisation der Islamischen Konferenz) bei der UNO in Fragen zu den Themen Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Menschenrechte hinzuweisen. Die 57 Mitgliedsstaaten der OIC haben die Universelle Menschenrechtserklärung der UNO nicht unterschrieben, dafür aber im Jahr 1990 ein analoges Schriftstück, die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, die in den Artikeln 24 und 25 alle zuvor aufgelistete Rechte unter den Vorbehalt der Scharia stellt. Es reicht aus, an die Behandlung der christlichen Minderheiten, und wo es noch welche gibt, der jüdischen Minderheiten zu denken, von der Pro-Islam-Lobby gar nicht zu sprechen, die mit immensen saudischen Finanzbeträgen ausgestattet, Institutionen westlicher Universitäten und einzelne Pseudo-Intellektuelle finanziert, um so ein geschöntes Islambild zu verbreiten, das dem westlichen Geschmack entspricht und damit politisch vertretbar erscheint.

Auch unter nichtmoslemischen Islamkritikern gibt es welche, die an die Existenz eines „gemäßigten Islams“ glauben, auch wenn die Mehrheit dieser These wohl eher skeptisch gegenübersteht. Zu den entschlossensten Islamkritikern gehören die Ex- Muslime, die, auch wenn sie in westlichen Ländern leben, großer Gefahr hinsichtlich ihrer persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt sind und zudem auch noch durch das westliche gesellschaftliche Establishment übergangen werden.

Ich habe mal versucht, diese Schlüsselfrage für mich selbst zu klären und hatte dazu einige Erkundigungen angestellt sowie einige Freunde, Bekannte und Experten befragt, wobei ich festgestellt habe, dass sich die gesammelten Meinungen auf drei wesentliche Standpunkte reduzieren lassen.

Die erste vorherrschende Meinung wäre dieselbe, wie sie schon den oben zitierten Erdogan- Worten zu entnehmen ist, nach der es nur „einen Islam“ gäbe und es beleidigend sei, zwischen einem gemäßigten und einem radikalen Islam zu unterscheiden. Erdogan wird meist als „gemäßigt“ bezeichnet und er ist mit der islamischen Kultur sicherlich besser vertraut als die meisten westlichen Kommentatoren. Bezeichnenderweise steht er mit seiner Meinung im Widerspruch zur im Westen vorherrschenden Ansicht vom im Kern friedlichen Islam, der von einer kleinen fanatischen Minderheit missbraucht wird. Erdogan zufolge macht also meine Frage gar keinen Sinn: Es gibt nur den Islam. Punktum.

Und was ist dann mit dem Fundamentalismus? Die zweite wesentliche Meinung lässt sich einem e-mail einer Kommentatorin, die auf meinem mail- Verteiler eingetragen ist und die ich um Antwort bat, entnehmen. Diese ist die am weitesten verbreitete, vorherrschende Meinung, auch wenn ich unterstelle, dass das gar keine richtige Antwort auf die gestellte Frage ist:

„Ich kann hierzu keine wissenschaftliche Antwort geben, aber nach meinem Empfinden würde ich alle Moslems als gemäßigt ansehen, die nicht die Forderungen (des Moslemfunktionärs) Dachan teilen bzw. unterstützen: die Schaffung einer moslemischen Gegengesellschaft innerhalb des Landes, Zensur der Schulbücher, islamische Privatschulen, Islamische Feiertage in den öffentlichen Schulen, bezahlte Arbeitspausen für das Freitagsgebet, islamische Banken und Darlehensformen, die anteiligen Zuwendungen aus der Einkommenssteuer für kirchliche Zwecke (0,8% des versteuerten Einkommens) und Halal-Zertifikate für Lebensmittel.

Zu dieser und zahlreichen ähnlichen Antworten erlaube ich mir eine Anmerkung: Sie sind insoweit unglaubwürdig, da sie das Kernproblem umschiffen und statt dessen den „gemäßigten“ Islam in der Negierung beschreiben. Sie beschreiben, was der „gemäßigte“ Islam alles nicht sein sollte, nicht aber was er denn sei, mit doktrinären Begründungen und theologischen Verweisen, auch nicht inwiefern er sich vom fundamentalistischen Islam denn unterscheide, geschweige denn welche hermeneutischen Fehler denn den radikalen Islam ausmacht im Gegensatz zur vermeintlich richtigen Auslegung des „moderaten“ Islams. Ich möchte hier noch klarstellen, dass die Diskussion über und die Kritik am Islam nicht gleichbedeutend mit Kritik an Moslems ist. In allen Gemeinden und unter allen Gläubigen finden sich sowohl Gesetzestreue als auch Straftäter, Intelligente und Dumme, Gebildete und Ungebildete, Oberflächliche und Bigottische. Das ist aber nicht der springende Punkt, ja nicht einmal den Dr. Dachan für seinen angeblichen Fundamentalismus, seine repräsentativen Fehlleistungen oder für seine unverschämten Forderungen zu kritisieren, wäre es. Es geht nicht darum, zu entscheiden ob ein Moslem radikal oder gemäßigt ist um dann letzteres zu wählen. Der Knackpunkt ist es, herauszufinden ob der Islam auf den sich der radikale Moslem beruft, ein anderer Islam ist, als der Islam auf den sich der gemäßigte Moslem stützt und worin der Unterschied zwischen beiden besteht, oder ob es stattdessen, wie Erdogan meint, nur einen einzigen Islam gäbe und man nur die richtige Auslegung verstehen müsse. In meinen Augen ist diese zweite Erklärung, die sich nur darauf bezieht, was der gemäßigte Islam alles nicht ist, äußerst zweifelhaft und unbefriedigend.

Die dritte mögliche Erklärung eines Empfängers meines mail-Verteilers, eines gewissen Mirco Romanato, ist dagegen einleuchtend, zwar weniger bekannt, meiner Einschätzung nach aber liegt er völlig richtig:

„Der Unterschied zwischen einem „gemäßigten“ Moslem und einem moslemischen Extremisten ist nur ein temporärer. Der moderate Moslem ist der Moslem in Mekka, als Mohammed Friede, Liebe und Toleranz predigte.

Der extremistische Moslem ist dagegen der Moslem von Medina, wo die Verteidigung zuerst freiwillig war, später dann zur Pflicht wurde, bevor zuletzt auch der Angriff auf die Ungläubigen zur Pflicht erhoben wurde.

Der Islam, den Mohammed mit friedlichen Mitteln predigte, brachte ihm in fünfzehn Jahren 150 Anhänger ein. Den Islam, den er danach zehn Jahre lang mit dem Schwert in der Hand predigte, brachte ihm jede Menge Anhänger und keinen überlebenden Feind mehr in ganz Arabien.

Der Islam von Medina kam nach dem Islam von Mekka und und hat somit nach islamischem Selbstverständnis Vorrang. Aber es ist Moslems nicht verboten, es so zu machen wie in Mekka, wenigstens anfangs.“

Der Islam ist dualistisch, es gibt nicht entweder den mekkanischen Islam oder den medinesischen; sie gehören zusammen, sie existieren gleichzeitig. Aber wie bei gewissen Illusionen ist es uns nicht möglich, beide gleichzeitig wahrzunehmen. Das resultiert daher, dass wir in unserem westlichen Verständnis dualistische (sowohl als auch-) Auslegungen als unwahr betrachten. Der englischsprachige Artikel „Refuting counter-terrorism dhimmitude“ gibt Aufschluss darüber:

Diese Betrachtungsweise ist von grundsätzlicher Bedeutung, denn sie führt uns zu den grundlegenden Prinzipien dieser Religion, ohne deren vollständige Kenntnis wir die Problematik nicht in vollem Umfang zu erkennen vermögen. Es wäre genauso unseriös, über das Christentum ein Urteil fällen und sich dabei nur auf die dunkle Geschichte des Christentums inklusive Inquisition, Bartholomäus-Nacht und sonstige Nettigkeiten beschränken zu wollen, ohne jemals einen Blick in die Evangelien riskiert zu haben. Die intellektuelle Redlichkeit erfordert, dass wir alle Verbrechen, die im Namen irgendwelcher Ideologien, bzw. aufgrund eigenwilliger Interpretationen derselben begangen werden, gleichermaßen verurteilen. Wann immer man sich mit einer beliebigen Ideologie, sei sie politischer oder religiöser Natur, auseinandersetzt, darf man die der Ideologie zugrunde liegenden Texte, Prinzipien und Dogmen nicht außer Acht lassen. Über das Christentum kann man sich auch kein Urteil erlauben, ohne sich wenigstens mit der Person Jesu Christi und seinen Lehren, bzw. das was man auf ihn zurückführt, zu beschäftigen.

Der Koran

Um den Islam zu bewerten, müssen wir ihn kennen; nur so können wir feststellen, welcher der „gemäßigte“ und welcher der extremistische ist. Der Ausgangspunkt dazu ist der Koran, dem Mohammed übermittelt durch den Erzengel Gabriel in unregelmäßigen Abständen während seiner 23-jährigen Prophetenlaufbahn. Der ganze Koran ist das Wort Gottes, ewig, unerschaffen, vollkommen, unveränderbar, gültig zu jeder Zeit und an jedem Ort für die gesamte Menschheit. Die offensichtlichen Widersprüche in der koranischen Offenbarung fielen allerdings auch Mohammeds Zeitgenossen auf, so wurden seine Kritiker durch die Offenbarung von Sure 2, 106 ruhiggestellt:

Wenn Wir eine Aya (Vers) aufheben oder der Vergessenheit anheimfallen lassen, so bringen Wir eine bessere als sie oder eine gleichwertige hervor. Weißt du denn nicht, dass Allah Macht über alle Dinge hat?

Es ist der Vers, der das Prinzip der „Abrogation“ (an-naskh wa al-manswkh = das Abrogierende und das Abrogierte) begründet, nach dem ein zu einem späteren Zeitpunkt geoffenbarter Vers einen anderen zu einem früheren Zeitpunkt geoffenbarten Vers, der das Gegenteil aussagt, „abrogiert“. Die wesentliche Schwierigkeit dabei ist, dass der Koran anfangs nur mündlich rezitiert und weitergegeben wurde und seine schriftliche Form erst unter der Herrschaft des dritten Kalifen Uthman bin Affan erhielt, wobei die verschiedenen Suren nicht chronologisch, sondern der Länge nach, beginnend mit der längsten bis hin zur kürzesten (mit Ausnahme der ersten Sure), sortiert wurden. Daher ist es, um die chronologische Reihenfolge der koranischen Suren zu entschlüsseln, unbedingt notwendig, die „Sira“, Mohammeds Biografie, von der noch antike Versionen aus der Zeit von etwa zweihundert Jahre nach seinem Tod vorliegen und die „tafsir“, die Koran-Kommentare aus der Frühzeit des Islams, als dieser sich bis nach Spanien und nach Indien ausbreitete, hinzuzuziehen. Dieses umfangreiche Werk aus Analyse und Kommentierung war für die Rekonstruktion der Offenbarungsgeschichte und die korrekte Auslegung der Offenbarung notwendig, weil nur so daraus das Regelwerk, das die rechtlichen und praktischen Vorschriften und Regeln (die Scharia) beinhaltet, herausgefiltert werden konnte, das es einem Moslem ermöglicht, sich strikt an die Gebote Gottes zu halten, der einzige Weg, seine „Seele“ zu retten und um ins „Paradies“ zu kommen.

Wenn auch einerseits das Prinzip der Abrogation die These der Vollkommenheit des Korans dahingehend stützt, dass alles Offenbarte auch tatsächlich überliefert worden sei und dass alles, was nicht überliefert oder nicht schriftlich niedergelegt wurde, es eben der Wille „Allah’s“ sei, dass es weggelassen wurde und damit auch die offensichtlichen Widersprüche im Koran wegerklärt werden konnten, so ergibt sich hieraus andererseits ein völlig neues Problem: Hatte Allah sich möglicherweise geirrt und musste er deshalb vorherige Offenbarungen korrigieren oder hat er, in seiner unbegrenzten Allmacht, seine Meinung einfach geändert und deshalb dann neue Regeln erlassen, die die alten ersetzen sollten? Das „ewige Wort Gottes“ kann ja nicht irren, daher sind also alle Koranverse wahr, aber manche sind eben wahrer als andere oder werden eben nur unter besonderen Umständen entsprechend angewendet. Deshalb kann im Umgang mit „Ungläubigen“ einerseits zwar Versöhnung und Toleranz an den Tag gelegt werden, andererseits aber auch ein völlig konträres Gebaren, gewaltbereiter Widerstand, ohne Aussicht auf Verständnis und Kompromissbereitschaft. Beides ist islamisch korrekt, wenn auch letzteres korrekter ist. Für einen westlich orientierten Menschen ist es unmöglich, zwei entgegengesetzte Standpunkte gleichzeitig für richtig zu halten; wenn wir eine Verhaltensweise als richtig erachten, muss das Gegenteil zwangsläufig falsch sein und umgekehrt. Nicht so für den Moslem: Wenn beide Verhaltensweisen im Koran vorgesehen sind, müssen sie auch beide richtig sein, auch wenn das später geoffenbarte Prinzip richtiger sein mag als die ältere Offenbarung. Für einen westlich orientierten Menschen ist das ein Paradoxon, für einen Moslem nicht.

Um dieses Phänomen zu visualisieren, verwendet der oben zitierte Bill Warner ein modernes Kunstwerk von M.C. Escher (1898-1972), das dies auf brillante Weise veranschaulicht. Sind im Bild Engel oder Teufel zu sehen?

escher-2

Was stellt dieses Bild eigentlich dar? Sind es (weiße) Engel? Oder (schwarze) Teufel? Beide Antworten wären richtig. Es sind gleichzeitig Engel und Teufel und es ist somit sinnlos sich darüber auszulassen, welches denn die richtige und wahre Interpretation sei. Die Lehre von Gewalt, Hass und Unterdrückung des in Medina geoffenbarten Korans ist genauso wahr und verpflichtend wie die mekkanische Offenbarung, die Toleranz und Verständnis lehrt, auch wenn der medinesischen die Vorrangstellung gebührt, wie wir noch sehen werden.

Mohammed, der perfekte Moslem

Der Koran, für sich allein, reicht für einen Moslem nicht aus, um die Errettung zu garantieren. Zu vage sind seine Lehren und zu vielfältig sind die Lebenssituationen, mit denen der Moslem konfrontiert wird und die er in Übereinstimmung mit den Gesetzen Allah’s meistern muss. Der Koran beschreibt zwar eine Reihe von gültigen Prinzipien, mit präzisen und detaillierten Bestimmungen, die jedoch nicht alle möglichen Eventualitäten abdecken. Die Lösung dieses Problems gibt der Koran jedoch selbst vor, wie Bill Warner im oben genannten Artikel deutlich formuliert, weil der Koran über siebzigmal die Moslems dazu auffordert, Mohammed in allen Aspekten des Lebens als Vorbild nachzuahmen. Nur die absolute Abhängigkeit sowohl vom Koran als auch vom Vorbild Mohammed, wswa hasana (herausragendes Vorbild), al insan al kamil (der vollkommene Mensch), gibt die Gewähr dafür, die Gebote Allah’s wirklich zu befolgen und somit Zutritt zum Paradies zu erhalten. Daher rührt die enorme Bedeutung der Sira, welche die frühe Biografie Mohammeds beinhaltet (die wohl älteste und klassische von Ibn Ishaq, in englischer Übersetzung durch A. Guillaume, Oxford University Press) und der Ahadith (Plural von Hadith), der gesammelten Geschichten über Taten und Aussprüche des Propheten. Sira und Ahadith bilden zusammen die Sunna, die Tradition, gemeinsam mit dem Koran ergeben sie die Trilogie islamischer kanonischer Texte, auf deren Grundlage das islamische Rechtssystem basiert, welches in Form der Scharia angewandt wird, dem heiligen Gesetz. Die Berufung auf den Koran ist zwar unverzichtbar, aber nicht ausreichend, weil es tatsächlich so ist, dass über 80% der islamischen Regeln direkt aus der Sunna abgeleitet sind.

Die immensen koranexegetischen Probleme, verursacht durch die Ambivalenz des mekkanischen und des medinesischen Teils, verstärken sich noch, wenn man die Sunna (Sira und Ahadith) mit in die Bewertung einbezieht. Hier finden wir Aussprüche und Handlungen Mohammeds, die einem modernen Menschenbild diametral zuwider laufen und dennoch dem herausragenden Vorbild, dem vollkommenen Menschen, den es in allen Lebensbereichen zu imitieren gilt, zugeordnet werden. Darunter befinden sich, ohne jetzt kleinkariert eine detaillierte Liste erstellen zu wollen, einige bemerkenswerte Highlights:

  • der Vollzug der Ehe mit der kleinen Aisha, die an Mohammed mit sechs Jahren verheiratet wurde, im Alter von neun Jahren, was noch immer als Grund dafür gilt, dass in manchen islamischen Ländern noch heute das Mindest-Heiratsalter für Mädchen bei neun Jahren liegt
  • Auftragsmord an politischen Gegnern durch Meuchelmörder die mittels Täuschung und Verrat die direkten Anweisungen ihres Propheten ausführten
  • der Genozid am jüdischen Stamm der Banu Qurayza nach dem Sieg über diese, durch Köpfung aller männlichen Stammesmitglieder (über 600 Männer) und Versklavung der Frauen und Kinder
  • die Vergewaltigung und Versklavung der im Krieg erbeuteten Frauen (meist die Töchter und Ehefrauen der besiegten Feinde)
  • und vieles mehr

An diese Tatsachen zu erinnern, die kein Moslem wirklich bestreitet, für die sie aber immer ausreichend beschönigende Erläuterungen parat haben, lösten oftmals gewalttätige Reaktionen sogar bei den im Westen lebenden Islam-Vertretern aus. Sofort prasseln dann die üblichen Anschuldigungen wie „Islamophobie“, „Diskriminierung der Religion“ und „Rassismus“ hernieder, begleitet vom Vorwurf, man würde Lügen verbreiten und den Islam schmählich beleidigen. Diese Vorgehensweise im Leugnen von Tatsachen, der billige Versuch Fakten durch Verdrehung und Täuschung aus der Welt zu schaffen, findet seine Grundlage in der taqiyya, einem islamischen Prinzip, das direkt aus dem Koran (3,28; 16,106) abgeleitet wird, nachdem Lügen dann gestattet und gerechtfertigt ist, wenn man dadurch sein Leben rettet, wenn es dem Schutz des Islam dient sowie wenn man sich in einer unterlegenen Position befindet. Schließlich stammt von Mohammed selbst der Spruch: „Der Krieg ist Täuschung“.

Fazit

Ich denke, wir sollten zu folgender Schlussfolgerung gelangen: Erdogan hat Recht, wenn er sagt, es gäbe nur einen Islam; der wahre Moslem ist nämlich immer derjenige, der Mohammed in allen seinen Handlungsweisen nachzuahmen versucht, weshalb man ja auch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts ausnahmslos von Mohammedanern sprach und nicht von Moslems oder Muslimen, Wortschöpfungen welche die wahre Bedeutung des Islam verschleiern, nämlich die völlige Unterwerfung unter die Scharia sowie die skrupellose Nachahmung Mohammeds.

Überall wo es Menschen gibt, auch unter Moslems, gibt es Moderate und Extremisten, Gewalttätige und Friedliche, aber die Suche nach einem „gemäßigten Moslem“, das Gegenpart zu einem radikalen Moslem, macht keinen Sinn. Das was zählt, ist die Figur des Propheten des Islam, Mohammed, wie sie durch die Sunna überliefert ist und so als Vorbild für alle Moslems zu gelten hat um ihm nachzueifern. Lassen sie sich vom mekkanischen Mohammed inspirieren, der sie beten gelehrt hat und ihnen den Monotheismus und die Toleranz verkündete oder vom medinesischen Mohammed, der die arabische Halbinsel mit Krieg überzog und eroberte, jede Opposition im Keim erstickte und den jihad zur Unterwerfung der Ungläubigen und zur Errichtung der Weltherrschaft predigte?

Leider ist beides richtig; ein guter Moslem kann der fleißige Arbeiter von Nebenan sein, der sich immer hilfsbereit zeigt oder auch der fanatische Student, der zwar nach außen ein makelloses Leben führt, aber gerade eine Flugzeugentführung vorbereitet um damit in einen Wolkenkratzer voller Ungläubiger zu fliegen. Wir können es nie genau wissen, auch weil der nette freundliche Nachbar von nebenan sich jederzeit in einen Jihadisten verwandeln kann, der im Namen Allah’s tötet und getötet werden kann (Koran 9,111) oder hinter der freundlichen Maske des ehrlichen, vertrauenswürdigen, netten und hilfsbereiten Nachbarn sich auch ein überzeugter Jihadist verbergen kann, wie es ihm durch taqiyya moralisch erlaubt ist (Koran 3,28; 16,106)

Nun denn, ist der wahre Mohammed ein Engel oder ein Teufel? Nach meiner Überzeugung gibt es darauf keine abschließende Antwort, oder besser noch wenn es schon sein muss: Er ist beides.

Prof. Paolo Mantellini (Mai 2009)

(Übersetzung aus dem Italienischen von Conny Axel Meier)

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